Ostermarsch

21. April 2025

Auftaktrede von Marc Jost

Es gilt das gesprochene Wort.

Liebe Freunde, liebe Friedensstifterinnen
liebe Mitstreiter für eine gerechtere und friedlichere Welt!

Es ist bewegend, an diesem Ostermontag hier in Bern zusammenzukommen, um eine kraftvolle Stimme für den Frieden zu sein. Die Aare fliesst ruhig dahin, ein Bild der Beständigkeit, während in so vielen Teilen unserer Welt das Chaos und die Gewalt toben. Und deshalb ist unser heutiges Zusammenkommen so wichtig, so dringend.

Ostern, das Fest der Hoffnung und der Auferstehung, erinnert uns daran, dass selbst aus der tiefsten Dunkelheit neues Leben erblühen kann. Diese Botschaft des Friedens und der Hoffnung ist heute aktueller denn je, angesichts der furchtbaren Kriege, die unzähliges Leid verursachen: in der Ukraine, wo unschuldige Menschen unter der brutalen Aggression leiden; in Gaza, wo Verzweiflung und Tod den Alltag prägen; und im Sudan, wo eine humanitäre Katastrophe unvorstellbaren Ausmasses droht. Das Leid der Zivilbevölkerung in all diesen Konflikten schreit zum Himmel.

In dieser zerrissenen Welt haben wir letztes Jahr ein wichtiges Jubiläum gefeiert: 75 Jahre Genfer Konventionen. Diese Abkommen sind das Fundament des humanitären Völkerrechts, ein Regelwerk, das darauf abzielt, das grösste Leid in Kriegszeiten zu verhindern und die Menschlichkeit inmitten der Barbarei zu bewahren. Die Schweiz ist stolz auf ihre Rolle als Depositarstaat dieser Konventionen, als Hüterin dieser so wichtigen Prinzipien. Doch diese Rolle, liebe Freunde, meine Damen und Herren, diese Verantwortung wiegt schwerer denn je.

Wie können wir glaubwürdig die Einhaltung des humanitären Völkerrechts fordern, während wir uns gleichzeitig weigern, einem Vertrag beizutreten, der die schlimmste aller Waffen ächtet – die Atomwaffe?

Lassen Sie uns ehrlich sein: Atomwaffen sind die Antithese zu allem, wofür das humanitäre Völkerrecht steht. Sie töten wahllos, Männer, Frauen, Kinder, Alte. Sie verstossen gegen jeden Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Sie verursachen unermessliches, generationenübergreifendes Leid durch radioaktive Verseuchung und unvorstellbare Zerstörung. Es gibt keine Verteidigung gegen ihren Einsatz, es gibt keine angemessene humanitäre Hilfe für die Überlebenden eines Atomkriegs. Die Konsequenzen wären apokalyptisch, das Ende jeglicher Zivilisation, wie wir sie kennen.

Die Weigerung der Schweiz, dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten, ist nicht nur ein Bruch mit unserer humanitären Tradition, sie untergräbt auch unsere Glaubwürdigkeit als Friedensnation und als Verfechterin des Völkerrechts. In einer Welt, die von Instabilität und Misstrauen geprägt ist, sendet unsere Haltung ein fatales Signal.

Ich fordere, gemeinsam mit der Allianz für ein Atomwaffenverbot, die Schweiz auf, ihre humanitäre Verantwortung endlich wahrzunehmen. Es ist nicht genug, Sonntagsreden über Frieden zu halten und gleichzeitig die Augen vor der grössten Bedrohung für die Menschheit zu verschliessen. Es ist nicht genug, sich auf unsere humanitäre Tradition zu berufen und gleichzeitig einem Vertrag fernzubleiben, der genau diese Tradition schützen und stärken will.

Wer, wenn nicht die Schweiz, mit ihrer Geschichte der Neutralität und ihrer tief verwurzelten humanitären Werte, sollte sich an die Spitze der Bewegung für eine atomwaffenfreie Welt stellen? Wer, wenn nicht wir, sollte laut und deutlich sagen: Atomwaffen sind illegal, unmenschlich und gehören für immer verboten?

Heute, an diesem Ostermarsch, gehen wir auf die Strasse, die Aare entlang, hinein in das Herz dieser Stadt, zum Münsterplatz. Dieser Marsch ist mehr als nur ein Spaziergang. Er ist eine Manifestation, er ist ein Ruf, auch ein Gebet für den Frieden. Ein Aufschrei der Empörung gegen die Gewalt und die Kriegstreiberei in der Welt, und ein unmissverständliches Bekenntnis zur Notwendigkeit einer atomwaffenfreien Zukunft.

Lasst uns gemeinsam unsere Stimme erheben. Lasst uns den politischen Entscheidungsträgern in Bern und in der ganzen Welt zeigen, dass wir uns nicht länger mit Lippenbekenntnissen zufriedengeben. Wir fordern Taten! Wir fordern den Beitritt der Schweiz zum Atomwaffenverbotsvertrag! Wir fordern eine Welt, in der das Leben und die Würde jedes Menschen geachtet werden, eine Welt ohne die Bedrohung durch nukleare Vernichtung.

Gehen wir nun los, mit Entschlossenheit und mit der Hoffnung im Herzen, die uns dieses Osterfest schenkt. Tragen wir unsere Botschaft des Friedens und der Abrüstung in die Altstadt, auf den Münsterplatz, wo unsere Kolleginnen und Kollegen unsere Forderung bekräftigen werden.

Gemeinsam können wir etwas bewegen. Gemeinsam können wir dazu beitragen, dass eines Tages die Waffen schweigen und der Friede in unserer zerrissenen Welt einkehrt. Wie es bereits der mehrere Tausend Jahre alte Text des biblischen Propheten Jesaja sagt:

«Dann schmieden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen um und ihre Speere zu Winzermessern. Kein Volk wird mehr das andere angreifen; niemand lernt mehr, Krieg zu führen.»